4 Zero Waste-Trends, die man nicht mitmachen muss
Auch in der Plastikfrei- & Zero-Waste-Bewegung gibt es Trends und Gewohnheiten, die man durchaus kritisch sehen kann. Denn nicht immer ist Müllvermeidung automatisch nachhaltig und sozial - ja, manchmal ist sie sogar nicht mal so müllvermeidend, wie man denken möchte. Wir haben 4 Themen zusammengestellt, bei denen man genauer hinsehen sollte.

Kosmetik in Pipettenflaschen kaufen
Seit einigen Jahren gibt es mehr und mehr Kosmetikprodukte in Pipettenflaschen zu kaufen: Nicht nur Seren, die ja derzeit im Trend liegen, werden so angeboten, sondern auch Gesichts-, Haar- und Körperöle sowie Make-Up-Grundierung.
Bei allen hygienischen – sicher richtigen – Argumenten sind Pipettenflaschen damit auch ein Zeichen unserer Distanzierung von allem Lebenden und irgendwie auch vom Leben, die vor der Pandemie bereits bestand und durch sie noch verstärkt wurde.
Die Faszination für Pipettenkosmetik hat aber noch einen weiteren Grund: Wir können ein- oder zweimal am Tag Apothekerin, Chemikerin und Laborantin sein. Das Eintauchen der Pipette in die Flüssigkeit, das Aufziehen per Pumpmechanismus und das gezielte Tröpfeln eines hochspezialisierten Produkts lässt uns für kurze Zeit in den Arbeitsalltag eines anderen Berufes eintauchen. Das Pipettieren ist eine Kulturtechnik, die ein Werkzeug (eben die Pipette) erfordert und gegenüber dem Arbeiten mit den Händen daher den Anschein einer spezialisierten Tätigkeit hat. Vielleicht gibt uns dies das Gefühl, im Umgang mit unserer Haut alles professionell und richtig zu machen – ein gewisser Druck dazu scheint angesichts öffentlich dargestellter, hochkomplexer Skin Care Routines ja durchaus zu bestehen.
Oder ist das Pipettieren Ausdruck der zunehmenden Vermischung von Beruflichem und Privatem? Setzt sich das Homeoffice ins Badezimmer fort? Schließlich müssen wir ja nun auch zu Hause wenigstens obenrum wie im Büro aussehen – und dann kann man auch im Bad nicht einfach irgendwelche Cremes auf die Haut matschen, man muss schon einem Plan folgen.
Vielleicht ist es aber auch eine Form von Achtsamkeit, sich Zeit zu nehmen und Tropfen für Tropfen aus der Pipette zu drücken. Oder die Konsumentin genießt die Kontrolle und Selbstoptimierung, die damit verbunden ist. Oder aber der Vorgang ist Ausdruck des Wunsches nach Tun und Machen, der sich auch in der DIY-Bewegung widerspiegelt.
Eine hochinteressante Entwicklung ist das verstärkte Aufkommen von Pipettenfläschchen also allemal. Doch warum halten wir es im Zero Waste-Bereich für keine gute Idee? Recht einfach: Weil die Verpackung alles andere als Zero Waste ist. Zwar ist der Kosmetikbehälter aus Glas. Er ist recycelbar, da sich Pipettenkopf und Glas mittels Schraubgewinde voneinander trennen lassen. Der Pipettenkopf besteht allerdings immer aus Kunststoff und ist im Verhältnis zum Glaskörper, der in der Regel 30 Milliliter fasst, sehr groß. Er ist nach gegenwärtigem Stand der Technik nicht recycelbar, sondern wird in Restmüllanlagen verbrannt.
Wir empfehlen daher, auf Kosmetik in Pipettenflaschen zu verzichten und auf andere Verpackungsformen zurückzugreifen:
- Glastiegel, idealerweise wiederbefüllbar (wie etwa von Fairsquared), mit einem Weißblechdeckel. Dieser wird zwar ebenfalls nicht recycelt, das Größenverhältnis zwischen Deckel und Glas ist aber wesentlich ausgewogener, ebenso jenes zwischen Verpackung und Verpackungsinhalt insgesamt.
- Weckgläser wie etwa bei Nelumbo. Diese sind vollständig recycelbar und werden im Falle von Nelumbo sogar zurückgenommen und wiederbefüllt (wenn man sie bei einem Nelumbo-Händler zurückgibt oder die Gläser selbst sammelt, bis eine signifikante Menge zusammengekommen ist).
- Pappdosen wie z.B. bei Organic Essence. Sie können, wenn sie unbeschichtet sind, nach Gebrauch rückstandsfrei im Restmüll verbrannt werden. Eine Entsorgung im Altpapier empfehlen wir, wenn auch theoretisch möglich, aufgrund der wahrscheinlich stattgefundenen Durchfettung nicht.
- Feste Körperpflege, die man in Papier oder Karton bekommt, z.B. Handcreme und Körperbutter.
- Glasflaschen, die mit einfachen Schraubdeckeln auskommen, z.B. für Körperöle.
- Einzelne Unverpacktläden und Alnatura-Filialen (Stand Februar 2022: Freiburg Zähringer Straße, Karlsruhe Käppelestraße, Frankfurt am Main Hedderichstraße) bieten zudem Körperöle zum Abfüllen an.

Alles selber machen
Dinge selber herzustellen gehört für viele zu einem plastikfreien Leben dazu. Nicht nur Kochen und Backen ist Teil eines müllvermeidenden Lebensstils, sondern auch das Anrühren von Kosmetik und Putzmitteln. Manche Menschen machen sogar Bastelknete selbst, versuchen sich in der Ricotta-Produktion oder bauen sich eine plastikfreie Matratze aus Stroh. Prima!
Die Vorteile des Selbermachens sind vielfältig: Man lernt superviel, erlangt praktische Fähigkeiten, weiß, „was drin ist“, kommt weg vom Fernseher und gestaltet die eigene Freizeit kreativ. Man bekommt wieder eine Verbindung zu den Dingen, und selbst etwas produzieren zu können, insbesondere wenn es gut gelingt, stellt wohl für alle von uns ein großartiges Empowerment da. Etwas mit den eigenen Händen zu erschaffen, empfinden viele Menschen als entspannend und als befriedigenden Ausgleich zum Büroalltag. Und nicht zuletzt kann man auch Geld sparen.
Einige DIY-Trends sollte man mit Blick auf die Müllvermeidung jedoch hinterfragen. Gerade Kosmetik- und Putzmittelrezepte enthalten oft Bestandteile, die das Projekt „Müllvermeidung“ torpedieren: Sie sind nicht in Kleinstmengen erhältlich, man bekommt sie nicht alle an einem Ort, und zudem sind sie stark verpackt. Für eine kleine Menge Gesichtscreme ein ätherisches Öl, zu viel Kakaobutter und eine Flasche Rosenwasser einzukaufen, bringt das Risiko mit sich, dass die Zutaten nicht rechtzeitig aufgebraucht werden und so nicht nur Verpackungsabfall entsteht, sondern auch Rohstoffe verschwendet werden.
Wenn man die Zutaten dann noch aus diversen Onlineshops oder stationären Geschäften zusammenkaufen muss und auf diese Weise zusätzliche Emissionen und Verpackungsmüll erzeugt werden, ist DIY keine Nachhaltigkeitsstrategie mehr, sondern einfach ein Hobby.
Die Lösung? Tatsächlich ist der CO2-Fußabdruck und die Life-Cycle-Bilanz eines Produkts ist unter Umständen günstiger, wenn man es einfach fertig produziert kauft. Hersteller kaufen Rohstoffe in Großgebinden ein und sind daher verpackungsmäßig einfach im Vorteil. Ein weiterer Pluspunkt: Sie können in der Regel ihr Handwerk, sodass das Produkt, das man kauft, auch garantiert Freude bereitet. Muss man eine Creme also wirklich selbermachen, oder tut es auch die gekaufte? Das bedeutet auch: Man muss Dinge nicht selbermachen, um ein veritabler Zero Waster zu sein. Do it yourself ist lediglich ein Kann und kein Muss.
Zudem sollten insbesondere wir Frauen schauen, ob es eine gute Balance gibt zwischen der Kraft, die uns das Selbermachen gibt, und der Energie, die sie uns nimmt. Denn es sind nun mal in der Regel Frauen, die Kosmetik und Putzmittel selber machen – dies liegt ganz einfach darin begründet, dass in einem Haushalt nach wie vor meist Frauen für die Verbrauchsgüter zuständig sind, während Männer eher die Verantwortung für die Investitionsgüter, also Autos, Computer und Solaranlagen, tragen. Die baut man(n) aber nicht selbst.
Frauen sind also auf der einen Seite die Hauptträgerinnen der Müllvermeidung in einem Haushalt, an Frauen bleibt aber auch die ganze Arbeit hängen, die damit verbunden ist. So sind es bei allen positiven Nebeneffekten des Selbermachens – die Erfahrung von Selbstwirksamkeit, Freude am Tun – halt doch wieder die Frauen, die zu Hause rühren, werkeln, fabrizieren und ihre Freizeit hergeben, um möglichst gesunde Sachen für die Familie herzustellen.
DIY bringt daher in Ansätzen leider auch eine neue Biedermeierlichkeit und eine Reaktivierung von Rollenbildern mit sich. Bei wem die Freude am Selbermachen also nicht eindeutig überwiegt, sollte noch einmal überlegen, ob es das wirklich wert ist. Oder ob man die Zeit nicht besser nutzen und der Umwelt eher nützen könnte, indem man sich in einer BürgerInneninitiative, Partei oder NGO engagiert.

Rieselware im Pfandglas kaufen, obwohl es einen Unverpackt-Laden in der Nähe gibt
Wir finden: geht so… Denn:
1) Glas ist schwer. Es durch die Gegend zu fahren, bedeutet höhere CO2-Emissionen. Das Argument, dass sonst gerne von der Tetrapak-Lobby verwendet wird, gilt leider auch hier.
2) Rieselware ist leicht. Das Verhältnis von Verpackungsgewicht und Produktgewicht ist bei in Glas verpackter Rieselware sehr ungünstig. Wenig Inhalt wird mit Hilfe von viel Verpackung transportiert, und da sind wir wieder bei den CO2-Emissionen.
3) Wird ein Produkt traditionell in Papier verpackt – zum Beispiel Zucker –, gibt es keinen Grund, es nun in Gläser zu stecken. Die Papiertüte ist wesentlich leichter, was uns wieder zu den Emissionen bringt. Und: Die Papiertüte kann zwar nicht wiederverwendet werden, der Blechdeckel des Pfandglases aber auch nicht. Beides kommt ins Recycling.
Es stellt sich also die Frage, ob mit Rieselware in Pfandgläsern der Umwelt so dolle gedient ist. Und ob das Pfandglas nicht bisweilen über die Maßen strapaziert wird: Von der Lebensmittelmarke „Unverpackt für alle“ gibt es mittlerweile sogar Schwarzen Knoblauch im Pfandglas – und zwar als ganze Knolle, nicht eingelegt. Hier wird also ein Produkt verpackt, dass man ohnehin meist unverpackt bekommt, selbst im Discounter.
Was soll man stattdessen tun? Wer einen Unverpackt-Laden in der Nähe hat, der ohne viel Aufwand und Emissionen zu erreichen ist, möge bitte immer den Unverpackt-Laden statt Rieselware im Pfandglas wählen. Unverpackt-Ware kommt in großen Papiersäcken à 10 bis 25 Kilo in die Läden, wahrscheinlich eine der günstigsten Verpackungs-Produkt-Verhältnisse, die man im Lebensmittelbereich finden kann.
Wer keinen Unverpackt-Laden in der Nähe hat und streng auf Plastik verzichtet, für die/den ist Rieselware im Pfandglas natürlich trotzdem eine Option. Wer die Produkte aber nicht im stationären Handel kauft, sondern online bestellt, dem seien Geschäfte ans Herz gelegt, die Lebensmittel in Papier, mit eigenem Pfandsystem in komplett wiederverwendbaren Pfandbehältnissen (wobei die Pfandbehältnisse auch wieder zurückgeschickt werden müssen) oder in Großgebinden verkaufen.

Produkte aus chinesischer Herstellung kaufen – Bambus & Co.
Dieses Regime unterstützen wir jedes Mal, wenn wir ein Produkt kaufen, dass in China hergestellt wurde. Dabei geht es nicht darum, wie gut oder schlecht die Produktionsbedingungen in den chinesischen Fabriken sind. Viele Hersteller von Zero-Waste-Produkten argumentieren, dass sie nur mit solchen Fabriken zusammenarbeiten, in denen hohe ökologische und soziale Standards gelten, die Arbeitsbedingungen gut und die Löhne fair sind. Das ist zwar gut so, aber nicht Kern des Themas. Denn in China zu produzieren heißt automatisch, die Vorgaben des chinesischen Staates zu tolerieren, Funktionäre und Zellen der Kommunistischen Partei in den Betrieben zu akzeptieren und Steuern und Abgaben an den chinesischen Staat zu zahlen. All dies trägt dazu bei, das repressive System aufrechtzuerhalten.
Wer noch einen Schritt weitergehen will, kann den Blick auch auf das größere Ganze richten, nämlich auf die Frage, warum deutsche, europäische, westliche Unternehmen überhaupt in China produzieren lassen. Die Antwort: Die Arbeitskräfte sind so günstig. In China zu produzieren heißt, sehr viel Geld für Löhne und Sozialabgaben einzusparen – dies jedoch zu Lasten der chinesischen Arbeitnehmenden, zugunsten des chinesischen Staates und zugunsten unseres eigenen Profits. Wie nachhaltig ist ein Produkt, dass in einem autoritären Regime hergestellt wird, nur damit wir es günstig einkaufen können? Und wie nachhaltig ist es, die Funktionsmechanismen des Kapitalismus – Profitmaximierung durch Kosteneinsparung – für den Nachhaltigkeitssektor unkritisch zu übernehmen?
Was also tun?
Wir empfehlen, vor allem Bambus-Einwegprodukte vermeiden: Zahnbürsten, Wattestäbchen, Klopapier, Wattepads, Küchentücher, Taschentücher – all das gibt es auf Bambusbasis. Siehst Du im Handel ein Produkt aus Bambus, kannst Du fast automatisch davon ausgehen, dass es in China hergestellt wurde. Nur in Vietnam werden sonst noch Artikel aus Bambus produziert.
Taschentücher, Klopapier und Wattestäbchen benutzen wir nur für wenige Sekunden, bevor wir sie wegwerfen, und selbst eine Zahnbürste wird nach 3 Monaten ausgetauscht. Selbst wenn man die politische Situation in China außen vor läßt, so haben die Produkte immer noch einen sehr langen Anreiseweg (8.000 Kilometer) für so eine kurze Nutzungsdauer. Toilettenpapier aus Holz gewinnt ökologisch sicherlich keinen Sonderpreis, ebenso wenig jedoch ein Hygienepapier, dass zwischen 35 und 48 Tagen auf einem Dieselfrachtschiff unterwegs ist, nur um in Nullkommanichts seinen Zweck erfüllt zu haben und weggeworfen zu werden.
Besser steht es da um langlebigere Produkte, ob nun aus Bambus, Plastik oder Edelstahl. Werden sie über längere Zeit, also über Jahre oder Jahrzehnte benutzt, amortisiert sich wenigstens die Anreise aus Asien. Das politische Problem ist dadurch natürlich dennoch nicht gelöst. Hier daher einige Hinweise zu Alternativen:
- Trinkflaschen aus Edelstahl werden ausnahmslos, aber wirklich aus-nahms-los, in China hergestellt. Das liegt interessanterweise daran, dass vor allem Indien, welches ebenfalls eine große Edelstahl-Produktion beherbergt, qualitativ nach wie vor nicht mit China mithalten kann – ein Problem insbesondere bei Produkten, die auslaufsicher sein sollen. Wie wäre es aber damit, Edelstahl-Trinkflaschen gebraucht zu kaufen, oder aber eine Trinkflasche aus Glas? (Der Person, die uns einen Hersteller von Trinkflaschen aus einem anderen Land als China nennen kann, winkt übrigens ein 10-Euro-Gutschein für monomeer.)
- Die meisten Brotdosen aus Edelstahl werden in China hergestellt. Aber es gibt auch Ausnahmen. Beispiel EcoBrotbox: Die Berliner Firma hat nicht nur Produktionsstätten in China, sondern auch in Indien und Südkorea. Bei monomeer findet Ihr nur die Modelle, die nicht in China hergestellt werden, sodass Ihr auf der sicheren Seite seid (hier und hier).
- Statt Seifensäckchen aus Sisal kann man vielleicht solche aus Luffa benutzen. Die sind nicht so "schlank", sondern etwas voluminöser, aber erfüllen ansonsten denselben Zweck.
- Bei allen anderen Produkten wie Stileisformen, Eiswürfelformen, aber auch solchen, die gar nichts mit Zero-Waste zu tun haben (Telefone, Toaster, Computer) ist es ebenfalls ratsam, mal zu schauen, ob es sie nicht gebraucht gibt - oder ob man irgendwie auf sie verzichten kann.
Noch ein Wort zur China-Lage bei monomeer: Aus chinesischer Herstellung gibt es bei uns den Grüezibag-Schlafsack, einen Bleistift von Lyra, und auch die Borsten an unserem Backpinsel sind chinesischer Herkunft. Bei allen Produkten haben wir zugegeben echt schlecht kuratiert, haben also nicht richtig geschaut, wo das Produkt hergestellt wird. Nur bei der Podusche waren wir davon überzeugt, dass die Mülleinsparung wichtiger ist als alles andere. Ist es aber nicht. Die Poduschen verlassen über kurz oder lang unser Sortiment, beim Backpinsel bemühen wir uns um eine Alternative. Auch die Bleistifte verkaufen wir noch ab, bevor ein neues Modell in den Shop kommt. Lyra führt zum Glück auch Bleistifte, die in Europa hergestellt werden.